Rezension: Megalithgräber in Westfalen 4

Die nunmehr vierte Ausgabe der „Megalithgräber in Westfalen” widmet sich den Megalithgrabanlagen von Lengerich-Wechte im Kreis Steinfurt. Die Reihe versteht sich als archäologischer Führer zu den Fundstellen und richtet sich sowohl an interessierte Laien als auch an Studierende und Wissenschaftler*innen der ur- oder vorgeschichtlichen Archäologie. Neben einer Anfahrtsbeschreibung zu den Grabstellen ist daher auch eine hilfreiche farbige Karte mit Angabe der Lage der Fundstellen abgedruckt.

Die beiden Großsteingräber von Lengerich-Wechte, die zum Zeitpunkt ihrer Auffindung obertägig vollkommen zerstört waren, wurden 1928 bei Rettungsgrabungen durch den damaligen Leiter der vor- und frühgeschichtlichen Abteilung des Landesmuseums der Provinz Westfalen in Münster, August Stieren, dokumentiert. Erste Funde kamen kurz zuvor beim Sandabbau zutage, so dass selbst das besser erhaltene der beiden Gräber dadurch teilweise zerstört wurde. Dieses besser erhaltene Grab ist im Anschluss an die archäologischen Maßnahmen unter Heranziehung weiterer Steine aus dem stark zerstörten zweiten Grab rekonstruiert worden. Dieses rekonstruierte Grab ist auch heute noch zu besichtigen, das zweite Grab hingegen ist vollkommen zerstört.

Die Grabungsbefunde ergaben, dass die beiden Gräber mindestens 35 Meter lang und etwa 2–2,5 Meter breit waren. Sie bestanden aus unterschiedlichen Gesteinen, sowohl eiszeitlichem Geschiebe (Findlingen) als auch im Teutoburger Wald lokal anstehenden Sandsteinplatten. Trockenmauerwerk in den Lücken zwischen den Tragsteinen, wurde bei der Ausgrabung noch nachgewiesen. Die Grababdeckung ist indessen nicht ganz eindeutig geklärt. Sowohl eine Abdeckung der Kammern mit Sandsteinplatten als auch eine hölzerne Konstruktion, wie sie beispielsweise für das Grab bei Hilter am Teutoburger Wald angenommen wird, kommen in Frage.

Ein Großteil der Funde wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört bzw. lässt sich ein Teil der erhaltenen Funde heute nicht mehr zweifelsfrei den Gräbern zuordnen, so dass ältere Dokumentationen die Grundlage für moderne Nachforschungen bilden müssen. Über die typochronologische Einordnung der zahlreichen Keramikfunde lässt sich die Belegungszeit der besser erhaltenen Anlage I schon in den Horizont 2 nach Anna Brindley stellen (3470/3300 v.u.Z. – die Autor*innen verwenden die Datierung nach Mennenga 2017), mit einer Laufzeit bis in Horizont 5. In diese frühe Zeit passt auch die AMS-Datierung eines Huftierknochens, der in die Zeit zwischen 3520 und 3360 v.u.Z. datiert. Ein Schwerpunkt der Grabbelegung scheint in den Horizonten 4/5 zu liegen (3250/3075 v.u.Z.), zumindest stammen aus diesen Horizonten die meisten Keramikfunde. Der Fund eines Riesenbechers zeigt aber an, dass das Grab auch noch um 2000 v.u.Z. genutzt wurde und unter den Knochen befand sich ein kalziniertes Stück, dass naturwissenschaftlich ins 9. Jh. v.u.Z. datiert und damit zu einem nahegelegenen Brandgräberfeld der frühen vorrömischen Eisenzeit passt. Die Tongefäße aus Lengerich-Wechte bildeten einen wichtigen Grundstock für die Dissertation von Knöll zur Nordwestdeutschen Tiefstichkeramik. Die Formen und Verzierungen lassen die Keramik in die sogenannte Westgruppe der Trichterbecherkultur (TBK) einordnen.

Neben der Keramik können insgesamt 18 geschliffene und für die Westgruppe der TBK charakteristische Flachbeile zum Grabinventar hinzugezählt werden. Acht von ihnen bestehen aus Geschiebefeuerstein und weitere acht aus den vor allem im Osnabrücker Raum bekannten grauschwarzen Kieselgeoden. Ein weiteres Beil besteht aus Quarzit und eines aus einem dioritartigen Gestein. Hinzu kommt das Bruchstück einer durchlochten Axt, deren Typ nicht genau bestimmt werden konnte. 61 weitere Kleingeräte aus Feuerstein, darunter vor allem querschneidige Pfeilspitzen, komplettieren das Steinmaterial. Acht Knochenpfrieme und fünf flache Knochenwerkzeuge sowie 19 Hundezahnanhänger ergänzen das Inventar um seltene Knochenfunde – normalerweise lassen die Bodenlagerungsverhältnisse einen so guten Knochenerhaltnicht zu. Für das ausgehende Neolithikum bemerkenswert, sind die Funde von kupfernen Blechstreifen, fünf Kupferröllchen und dem Rest einer größeren Spiralrolle, die in beiden Gräbern gefunden wurden. Weiterhin wurden Perlen aus Bernstein, Gagat, Rosenquarz und Felsgestein geborgen.

Die reichhaltigen Beigaben deuten auf ein umfangreiches Beziehungsnetzwerk hin, dass zum Zeitpunkt der Grablegungen bestanden haben muss. Das Einzugsgebiet reicht von der niederländischen und nordwestdeutschen Küstenregion bis in den mitteldeutschen Raum mit der dort ansässigen Bernburger Kultur. Die Kupferobjekte stammen gar aus dem Karpatenbecken bzw. dem nordostalpinen Raum, müssen aber für eine genauere Standortbestimmung noch neueren Untersuchungen unterzogen werden.

Zum Abschluss des Heftes werden noch zwei in der Nähe gelegene Fundstellen beschrieben – zum einen eine möglicherweise TBK-zeitliche Siedlungsstelle, weniger als 100 Meter nordöstlich von Grab I und ein Hügelgrab, das vermutlich in die ältere Bronzezeit datiert.

Auch Band vier der „Megalithgräber Westfalens” stellt eine willkommene Bereicherung für die Regionalforschung dar, da für wenig Geld ein aktueller, anschaulicher und handlicher Führer zu den noch heute sichtbaren Zeugnissen der TBK vorgelegt wurde. Die Texte sind verständlich und interessant geschrieben und die zahlreichen Abbildungen veranschaulichen die Beschreibungen. Daher kann eine uneingeschränkte Kaufempfehlung ausgesprochen werden, für alle, die sich für die Megalithkultur(en) in Nordwestdeutschland (oder Westfalen im Besonderen) interessieren.


Bernhard Stapel / Kerstin Schierhold, Das Großsteingrab von Lengerich-Wechte, Kreis Steinfurt. Megalithgräber in Westfalen 4 (Münster/Westf. 2018).

broschiert, DIN A5-Klammerheftung, 36 Seiten, 21 teilweise farbige Abbildungen und eine Klapptafel mit Orthofoto der Grabanlage I

ISSN: 2511-1221; Einzelpreis: 3,50 €

Rezensiert von: Daniel Lau
https://www.altertumskommission.de/de/publikationen/megalithgraeber/

 

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